„Polarstern“ auf der Zielgeraden

Eingefroren in eine riesige Eisscholle driftete die „Polarstern“ 1700Kilometer weit gen Süden, Foto: AWI

Wissenschaftler arbeiten im Forschungscamp auf der Eisscholle, Foto: AWI
300 Tage lang haben Hunderte Wissenschaftler von 70 Forschungsinstituten aus 20 Ländern an Bord der eingefroren in einer Eisscholle 1700 Kilometer gen Süden driftenden „Polarstern“ (IMO 8013132) und in einem auf der Eisscholle aufgebauten Forschungscamp die Arktis erkundet. Nachdem die Eisscholle im Juli im arktischen Sommer zerbrochen war, erfolgte jetzt der letzte Personaltausch an Bord. Im Oktober soll die „Polarstern“ von der 140 Millionen Euro teuren Forschungsreise mit dem Projektnamen „Mosaic“ nach Bremerhaven zurückkehren.
Jahrelang war die einjährige Drift des deutschen Forschungsschiffes in der Arktis genauestens geplant worden. Für größere und kleinere Katastrophen waren am Alfred-Wegener-Institut (AWI) Notfallpläne ausgearbeitet worden. Doch dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte: die Corona-Krise. Eine Zeit lang musste befürchtet werden, dass die im September 2019 begonnene „Mosaic“-Expedition abgebrochen wird. „Das gesamte Logistikkonzept ist uns um die Ohren geflogen“, sagt Expeditionsleiter Markus Rex rückblickend. Als schwierig erschien besonders der Personalaustausch während der Reise. Doch AWI-Wissenschaftler Rex und sein Team schafften es mit einem Notfallplan tatsächlich, dass die Expedition fortgesetzt werden konnte. Inzwischen sei die Pandemie kaum noch Thema. „Corona haben wir fast schon vergessen an Bord“, so Rex.
Am 20. September 2019 war die „Polarstern“ vom norwegischen Tromsø aus gestartet. Kurz darauf fuhr sie in eine dicke Eisscholle, ließ sich einfrieren und driftete monatelang teils dicht am Nordpol vorbei. Rund die Hälfte der Zeit mussten die Wissenschaftler in der dunklen Polarnacht arbeiten. Jetzt ist die 118 Meter lange und 1982 bei der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel und bei Nobiskrug in Rendsburg gebaute „Polarstern“ noch einige Wochen für Messungen in der Region unterwegs. „Wir wollen solange bleiben, bis die Arktis wieder anfängt zuzufrieren. Das ist eine wichtige Phase im Eiszyklus“, sagt Rex.
Institute in aller Welt setzen große Hoffnungen in die Ergebnisse der Expedition: Mit den Messungen und Experimenten im Nordpolarmeer soll der Klimawandel besser verstanden werden. Die Expeditionsteilnehmer beobachten dafür genauestens die Austauschprozesse zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre. „Man kann jetzt schon sagen, dass die gewonnenen Daten es erlauben werden, die sehr komplexen Prozesse im Klimasystem besser zu verstehen“, betont Rex.
Die „Polarstern“ gehört dem Bundesforschungsministerium, das sie durch die Reederei F. Laeisz betreiben lässt. Normalerweise ist eine Seezeit von maximal 75 Tagen vorgesehen. Für das „Mosaic“-Projekt musste eine externe Versorgung gewährleistet werden. Das Forschungsschiff gehört weltweit zu den leistungsfähigsten seiner Art. Neben 44 Besatzungsmitgliedern bietet es an Bord maximal 50 Wissenschaftlern Platz. Die Ausschreibung für einen Ersatzneubau war abgebrochen worden, soll aber wieder forciert werden, um 2027 die „Polarstern II“ in Dienst stellen zu können. tja/dpa