Scandlines hart am Wind

Als vor einigen Jahren die deutsch-dänische Reederei Scandlines die Segel setzte, um Kurs auf eine emissionsfreie Fährschifffahrt zu nehmen, spielte in den ersten schiffstechnischen Planungen der Flettner-Rotor bereits eine Rolle: In einem Zero-Emission-Schiffsentwurf von 2012 wurde der Brennstoffzellen-Antrieb einer Doppelendfähre unterstützt von vier rotierenden Windkraft-Zylindern. Das Projekt blieb jedoch Anschauungsmodell, Scandlines fokussierte sich zunächst auf den batteriegestützten Hybrid-Antrieb und brachte 2016 mit der „Berlin“ und der „Copenhagen“ die beiden weltgrößten Hybrid-Fährschiffe auf der Ostseelinie Rostock–Gedser in Fahrt. Jetzt greift Scandlines das seit nahezu 100 Jahren bekannte Antriebsprinzip des Flettner-Rotors jedoch erneut auf, um sich weiter dem Ziel „Zero Emission“ zu nähern.

Das Unternehmen plant, auf der „Copenhagen“ ein Rotorsegel zu installieren. Erste vorbereitende Arbeiten sollen noch in diesem Jahr anlaufen, im zweiten Quartal 2020 soll dann der 30 Meter hohe Zylinder mit einem Durchmesser von 5 Metern mittschiffs montiert werden. Geliefert wird dieser vom finnischen Hersteller Norsepower.

Beim Rotor bedienen sich die Norsepower-Ingenieure des sogenannten Magnus-Effekts. Seitlich auftreffende Windenergie wird dabei für den Vorantrieb des Schiffes genutzt. Die vorherrschenden Windverhältnisse auf der Nord-Süd-Route zwischen Rostock und Gedser kommen Scandlines beim Einsatz der alternativen Technik entgegen. Zumeist wehen die Winde aus Westen. Auf diese Weise wird es möglich, die Leistung der Schiffsmotoren zu drosseln und dank der Windunterstützung trotzdem Geschwindigkeit und Fahrtzeit beizubehalten.

Der verringerte Treibstoffverbrauch führt zu weniger Schadstoffausstoß. „Wir rechnen damit, mit dem modernen Rotorsegel die CO2-Emissionen um vier bis fünf Prozent reduzieren zu können“, betont Scandlines-Vorstandschef Søren Poulsgaard Jensen – ein weiterer Schritt auf dem Weg, eines Tages emissionsfrei die Passage zu bewältigen.

Nicht von ungefähr setzt das Unternehmen für die Route Rostock–Gedser auf den Flettner-Rotor. Aufgrund der deutlich längeren Distanz gegenüber der Kurzstrecke zwischen Puttgarden und Rødby falle die Option eines vollelektrischen Antriebes aus, sagt Gerold Lefold, Geschäftsführer von Scandlines Deutschland. Dieser sei allerdings auf der Vogelfluglinie Puttgarden–Rødby realisierbar und werde für 2023/24 angestrebt.

Auf die Idee mit dem Flettner-Rotor ist Scandlines durch jüngste Einsatzfälle in der Schifffahrt gestoßen, berichtet Lefold. Von Norsepower sind bereits die Ostseefähre „Viking Grace“ und ein Maersk-Produktentanker mit rotierenden Windsegeln ausgerüstet worden. Erste Erfahrungsberichte bestätigten die positiven ökologischen und ökonomischen Effekte. „Das hat uns bewogen, es ebenso mit einem Rotorsegel zu versuchen.“ Zumal die Zusatz-Antriebskraft durch Wind mit allen anderen emissionsverringernden Technologien kompatibel ist.

Die „Copenhagen“ verfügt wie das Schwesterschiff „Berlin“ über einen Hybrid-Antrieb. Herkömmliche Dieselmotoren, deren Abgasen mindestens 90 Prozent ihres Schwefel- und Rußpartikelgehalts durch Closed-Loop-Scrubber entzogen werden, arbeiten im Schiffsbetrieb in Kombination mit Batterietechnologie. Da auch die vier Fähren auf der Vogelfluglinie mit Hybrid-Antrieb unterwegs sind, konnte nach Angaben des Unternehmens der jährliche CO2-Ausstoß um 15.000 Tonnen vermindert werden.

Seit 2013 hat Scandlines insgesamt mehr als 300 Millionen Euro in den Bau und Umbau von Fähren mit Hybrid-Antrieb investiert. Geschäftsführer Lefold geht davon aus, dass bei erfolgreichem Einsatz des Flettner-Rotors auf der „Copenhagen“ später auch die „Berlin“ einen solchen erhalten wird und sich die zusätzlichen Investitionen binnen fünf bis sechs Jahren refinanziert haben werden.

Für den eingeschlagenen Kurs „Zero Emission“ erhält die Fährreederei auch Rückenwind vonseiten der Umweltschützer. So zeigt sich Malte Siegert, Head of Environmental Policy beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), zufrieden „mit der Entscheidung von Scandlines, die CO2-Emissionen noch weiter zu senken“. Mit der Installation eines Rotorsegels setze die Reederei neue Maßstäbe „für die Integrierung verschiedener technischer Lösungen, die klimaschädliche und luftverschmutzende Emissionen reduzieren“.

Scandlines betreibt die zwei Ostsee-Fährrouten Puttgarden–Rødby und Rostock–Ged ser mit hoher Frequenz und Kapazität. In den zurückliegenden Sommermonaten beförderten die „Berlin“ und die „Copenhagen“ mehrmals über 16.000 Passagiere an einem Tag. schw/ger

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