Schadens-Bilanzierung nach Ostsee-Sturmflut

Nach der schwersten Ostsee-Sturmflut seit mehr als zehn Jahren hat an Mecklenburg-Vorpommerns Küstenlinie die Schadensaufnahme begonnen. Zwei mit spezieller Lasertechnik bestückte Flugzeuge seien am Freitag über die Insel Usedom sowie von Warnemünde über Fischland-Darß-Zingst und Teile von Rügen geflogen, um Schäden zu dokumentieren, sagte der für den Küstenschutz zuständige Dezernatsleiter Lars Tiepolt vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt in Rostock. Parallel dazu waren Mitarbeiter der Umweltämter an den Küsten unterwegs, um die Folgen der Sturmflut zu begutachten.
Grundsätzlich hätten sich die Anlagen des Küstenschutzes an der rund 400 Kilometer langen Außenküste bewährt, sagte Tiepolt. "Die Dünen haben ihren Zweck erfüllt, nämlich bebaute Gebiete vor Überflutungen zu schützen." Aus küstenschutztechnischer Sicht habe es keine signifikanten Schäden gegeben. Es gebe aber neuralgische Punkte wie Glowe auf Rügen oder der Bereich Koserow/Zempin auf Usedom.
Zur Beseitigung der Schäden an der öffentlichen Infrastruktur stockt das Land seinen Hilfsfonds auf bis zu 25 Millionen Euro auf. Darauf haben sich SPD und CDU geeinigt, wie die Vorsitzenden beider Landtagsfraktionen in Schwerin mitteilten. Außer dem Umweltministerium mit bis zu zehn Millionen Euro steuern auch das Wirtschafts- und das Innenministerium jeweils bis zu fünf Millionen Euro. Weitere bis zu fünf Millionen Euro sollen im Bedarfsfall aus dem Landeshaushalt zusätzlich bereitgestellt werden. Mit einem Dringlichkeitsantrag zur nächsten Landtagssitzung wollen die Fraktionen dafür die nötigen Grundlagen schaffen, wie es hieß.
Nach dem Abebben des bis zu 1,80 Meter über Normal gestiegenen Hochwassers wurden die betroffenen Küsten, wo sich bizarre Eismassen an Bäumen und Sträuchern formten, Ziel von Schaulustigen. Umweltminister Till Backhaus (SPD) warnte, dass es an den Kliffs in den nächsten Tagen und Wochen zu weiteren Materialabbrüchen und Abrutschungen kommen könne. "Naturfreunde bitte ich ausdrücklich darum, einen großen Bogen um die brüchigen Steilufer und Dünenkliffs zu machen", sagte Backhaus.
Warnung vor Schäden
Noch seien nicht alle Gefahrenstellen mit Warnschildern versehen und dort, wo Warnhinweise stehen, müssten sie unbedingt beachtet werden, sagte der Landrat von Vorpommern-Rügen, Ralf Drescher (CDU). «Der materielle Schaden ist groß. Leben oder Gesundheit von Menschen hat das Sturmhochwasser aber nicht genommen.» Und das solle so bleiben.
Seit Freitag scannen Flugzeuge abschnittsweise einen etwa 300 bis 500 Meter breiten Küstenstreifen. Aus 600 Metern Flughöhe wird dabei mit einem Laserstrahl (Airborne Laserscanning) die Erdoberfläche quasi "ertastet". Das Gerät sende 100.000 Lichtpunkte je Flugsekunde auf den Erdboden, sagte Tiepolt. Aus der Laufzeit der Strahlen könne dann ein genaues Volumenmodell errechnet und mit vorhergehenden Messungen verglichen werden. Pro Quadratmeter Küste lägen zwischen ein und fünf Messpunkte vor. Die aus dem Laserscan ermittelten Daten werden mit der letzten Messung aus dem Herbst 2016 verglichen, um die Gebiete mit den größten Sturmflut-Schäden zu ermitteln.
Kritik aus Gemeinden wie Zempin, es werde zu wenig für den Küstenschutz getan, wies Tiepolt zurück. Dort waren in der Sturmnacht Dünen in einer Tiefe von 10 bis 15 Metern weggebrochen und hatten einen Imbiss teilweise mitgerissen. Dieses Areal gilt als nicht im Zusammenhang bebautes Gebiet, das durch Küstenbauwerke geschützt werden muss.
Aufspülung möglich
Die Messungen sollen zeigen, wo akuter Handlungsbedarf besteht. "Wenn die Düne zu schmal geworden ist, wird aufgespült", sagte Tiepolt. Würden Dünen trotz der Abbrüche noch über der Sollstärke liegen, bestehe kein Handlungsbedarf. "Die Umweltbehörden sind nicht dafür da, den Touristen den Sand zu liefern", sagte Tiepolt. Abbrüche nach Sturmfluten seien normale küstengeologische Prozesse. "Würde die Küste nicht regelmäßig Material verlieren, würde es auch keine Strände geben."
Backhaus erwartet erste Hinweise auf mögliche größere Schäden bereits in wenigen Tagen. Die genaue Auswertung der Daten werde jedoch vier bis sechs Wochen dauern, hieß es. (mv)