Studie: Kein Schaden durch Baulärm

Erstmals hat eine Studie umfassend das Verhalten von Schweinswalen während Rammarbeiten für Offshore-Windparks in der Nordsee untersucht. Die Auswirkungen auf die Meeressäuger sind möglicherweise geringer als ursprünglich angenommen.

„Die Studie zeigt, dass Offshore-Windparks keine negativen Folgen für die Schweinswalpopulation haben“, sagte Ursula Prall, Vorstandsvorsitzende des Offshore-Forums Windenergie (OFW). So blieb der Schweinswalbestand trotz stetig ansteigender Gründungsarbeiten konstant, in zwei Teilbereichen konnte sogar ein Anstieg der Population über die Projektlaufzeit nachgewiesen werden. Dies, obwohl die Entwicklung und der Einsatz von Schallschutzmaßnahmen während des Untersuchungszeitraums noch in den Anfängen war.

400 Fundamentgründungen untersucht

Das OFW hatte 2014 – zusammen mit verschiedenen Unternehmen der Offshore-Windenergie-Branche und der Stiftung Offshore-Windenergie – drei Forschungsunternehmen und -institute (BioConsult SH, IBL Umweltplanung und IfAÖ) mit dem Ziel beauftragt, die Störungsauswirkungen des Rammschalls auf Schweinswale in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee zu untersuchen. Verschiedene Windparkbetreiber und -entwickler, die im Zeitraum zwischen 2009 und 2013 acht Offshore-Windparks mit insgesamt 400 Fundamenten in der Deutschen Bucht gebaut haben beziehungsweise derzeit weitere Windparks planen, stellten dazu ihre Untersuchungsdetails zur Errichtung der Windparks zur Verfügung. Ergänzt wurden diese Informationen durch Schweinswalzählungen von sieben weiteren Projekten, die sich damals noch in der Planungsphase befanden.

Basis der Untersuchungen waren außer Details zur Fundamentinstallation die Daten aus Hydroschall-Messungen sowie sogenannte C-POD- und flugzeugbasierte Erfassungen des Schweinswahlvorkommens. Damit wurde erstmals ein Großteil der für die Deutsche Bucht vorhandenen Erkenntnisse einzelner Windparkprojekte zusammengefügt und in eine gemeinsame Datenbasis überführt. Dieser umfangreiche und weltweit einmalige Datensatz wurde in einer zweijährigen Projektlaufzeit ausgewertet und in einer umfassenden Studie zusammengefasst.

Die Ergebnisse zeigen, dass während der unmittelbaren Rammarbeiten die Tiere eine kurzfristige Meidereaktion zeigen, die einem deutlichen Entfernungsgradienten folgt. Diese Reaktion ließ sich für alle Ramm ereignisse mit und ohne Schallschutz ab einem Wert von 143 Dezibel (SEL) auf einer Distanz von bis zu 17 Kilometern beobachten. Bei ausschließlicher Betrachtung von Rammereignissen mit Schallschutzmaßnahmen mieden die Tiere das Gebiet sogar nur bis zu einer Distanz von bis zu 14 Kilometer. Aber auch im Nahbereich mit Schallpegeln von mehr 155 Dezibel (SEL) verließen längst nicht alle Tiere das Gebiet. Gewöhnungs- oder Sensibilisierungseffekte durch vermehrte Rammarbeiten im untersuchten Zeitraum konnten nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß festgestellt werden.

Die Lärmbelastung vor allem bei der Gründung der Fundamente für Windenergieanlagen gilt unter Biologen und Ökologen als eine der großen Umweltbelastungen beim Bau und dem Betrieb von Windparks auf See. Die zweite große Gefährdung beim Betrieb der Anlagen selbst entsteht für Vögel. Diese geraten sehr häufig in die sich drehenden Rotoren. Wenn vor allem im Frühjahr und Herbst ganz Schwärme von Seevögeln unterwegs sind, kann dies in den Windparks verheerende Wirkung haben.

Die Bundesregierung hat über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Ausbauziele formuliert und möchte bis 2030 rund 15.000 Megawatt Offshore-Erzeugungskapazitäten installieren. Gleichwohl bringt der Ausbau aus Sicht von Umweltschutzorganisationen wie dem Naturschutzbund NABU ernst zu nehmende Risiken für die Meeresnatur mit sich. Insbesondere der Unterwasserlärm beim Bau von Tausenden von Anlagen werde zur unberechenbaren Belastung für die ohnehin überstrapazierte Nord- und Ostsee. Nur durch eine umsichtige Raumplanung und mehr technische Innovation lasse sich die Energiewende auf See naturverträglich gestalten, appelliert der NABU.

In den vergangenen Jahren wurden deshalb verschiedene technische Systeme entwickelt, die beispielsweise mittels Blasenschleiern unter Wasser die Lärmbelastung bei der Fundamentgründung verringern sollen (THB 27. September 2016). Solche Systeme werden zwischenzeitlich auch von der Industrie und vor allem den Projektgesellschaften akzeptiert – sie bedeuten aber auch einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor beim Bau der Windparks.

Kritiker sehen deshalb die vom OFW vorgelegte Studie kritisch. Da vor allem die Industrie Auftraggeber der Untersuchung gewesen sei, sei die Zielsetzung – nachgewiesene geringere Belastung und folgende Kostenreduktion – ersichtlich. Der Schutz der Schweinswale, der einzigen heimischen Walart in deutschen Gewässern, dürfe deshalb nicht unter dem Deckmantel der ökologischen Energiewende geopfert werden.

Konflikt für BSH

In einem Konflikt befindet sich deshalb auch die Genehmigungsbehörde für Windparks, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg (BSH). Einerseits ist da der Grenzwert für die Wale, den weder die Firmen noch das Amt igno rieren können. Andererseits sagt BSH-Jurist Christian Dahlke: „Einen Stand der Technik für effektive Maßnahmen zur Lärmminderung bei Offshore-Rammungen gibt es noch nicht.“

Das BSH muss also Ökologie und wirtschaftliche Interesse gegeneinander abwägen. Immer wieder versuchen die Offshore-Firmen, den Lärmwert für Wale in Zweifel zu ziehen. Dagegen wehrt sich Meeresbiologin Stefanie Werner, die im Umweltbundesamt (UBA) daran mitgewirkt hat, den Grenzwert zu etablieren. „Das UBA hat den Grenzwert bei 160 Dezibel festgelegt, weil Schweinswale ab 164 Dezibel eine kurzfristige Schwerhörigkeit erleiden können“, sagt Werner. „Das haben wissenschaftliche Untersuchungen der Universität Kiel ergeben. Noch höhere Lärmbelastungen bedrohen die Überlebensfähigkeit der Tiere, weil sie sich dann nicht mehr orientieren können.“ pk

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