„Wer Flüsse vertieft, muss sie auch verbreitern“

17 Jahre wurde um die erneute Fahrrinnenanpassung der Elbe gerungen. Seit dem 23. Juli 2019 sind die Baggerschiffe aktiv, und im Laufe des Jahres 2021 sollen die Arbeiten dann abgeschlossen werden. Dennoch muss weiter gebaggert werden, und zwar bei sogenannten „Unterhaltungsbaggerungen“. Damit hat sich THB-Leser Wolfgang Blechschmidt aus Hamburg in einem Leserbrief auseinandergesetzt.

„Die Fahrrinnen-Anpassung läuft planmäßig; die beiden Türme für die neuen Richtfeuer wurden aufgebaut. Damit wird die seewärtige Erreichbarkeit des Hafens erheblich verbessert. Aber: Das Schlickproblem besteht fort und hat weiterreichende Gründe.

Die teilweise erheblichen Veränderungen der Flusslandschaft der Unterelbe sind hinreichend bekannt. Allerdings ist festzustellen, dass die in der letzten Dekade zunehmende Versandung und Verschlickung kein alleiniges Phänomen der Unterelbe ist. Gleiches zeigt sich in Norddeutschland an Ems, Jade, Eider und Weser, um vor der „Haustür“ zu bleiben. Daraus folgt: Die Elbvertiefung von 1999 als im Wesentlichen alleinige Ursache auszumachen, greift zu kurz. (...)

Die Fokussierung nur auf die Unterelbe führt zu einer einseitigen Einschätzung. Der Einfluss der Oberelbe bleibt dabei außen vor. Das wassermäßige Einzugsgebiet der Elbe insgesamt, das heißt Ober- und Unterelbe, beträgt rund 150.000 Quadratkilometer (km²), ein Gebiet, das größer ist als der Freistaat Bayern.

Der Abfluss aus der Oberelbe beträgt je nach Regenmengen und -häufigkeit bei einer mittleren Fließgeschwindigkeit von etwa 3 Kilometern/Stunde (km/h) bis Geesthacht im Mittel gut 3 Millionen Kubikmeter pro Stunde (m³/h) Flusswasser.

Der Sedimentanteil ist beträchtlich, aber derzeit mengenmäßig nicht definiert. Diese Sedimente werden hauptsächlich über die Norder- in die Unterelbe transportiert. Diese ist der gezeitenabhängige Teil des Elbstromes, wobei hier eine strömungsmäßige Pendelbewegung, der sogenannte Tidal-Pumping-Effekt zwischen Ebbe und Flut bei einem stark angestiegenen Tidenhub von mehr 2,5 Metern (bei St. Pauli) – früher 1,5 bis 2,0 Meter – auftritt.

Der vor der Oberelbe transportierte Feinsand lagert sich im Unterelbe-Raum ab und bildet dort bei örtlich niedrigerer Fließgeschwindigkeit neue Sandbänke und Untiefen.

Diese Entwicklung war bereits in einem früheren Zeitraum zu beobachten, und zwar mit zunehmender Tendenz seit der „Kanalisierung“ der Unterelbe nach der Flutkatastrophe 1962. Als Folge wurde die Deichlinie zum Elbstrom radikal begradigt und gekürzt. Durch das Abtrennen und Ausdeichen von alten Elbarmen und -marschen sowie durch Sperrwerke an Elb-Nebenflüssen haben sich die anthropogenen Verhältnisse des Stromes – Tidenhub und Fließgeschwindigkeiten – fast schon dramatisch erhöht.

Die Umwandlung des Elbstromes von einem mehr oder weniger natürlichen Flusssystem zu einem kanalmäßigen Flusslauf brachte die heutigen Schlickablagerungen zwangsläufig mit sich.

Die Annahmen, durch eine höhere Strömungsgeschwindigkeit des Ebb-Stromes die Sandmengen aus der Oberelbe besser und ohne Absetzungen abtransportieren zu können, erwiesen sich als Trugschluss.

Strömungsgeschwindigkeit und Dauer des Ebbstromes reichen nicht aus, die Mengen an Sedimenten weit genug in die Außenelbe transportieren. Die stark auflaufende Flut transportiert diese Stoffe zurück und verteilt sie, wohin das Flutwasser strömt. In den Randzonen außerhalb der Fahrrinne mit nachlassender Strömungsgeschwindigkeit kommt es dann zu den Ablagerungen aus dem Sand-Schlick-Gemisch.

Die warnenden Stimmen zur Stromregulierung nach der Flutkatastrophe 1962 fanden kein Gehör. Stromregulierungen, hier in Bezug auf die Unterelbe, auch Flussvertiefungen sind für Flusshäfen unerlässlich, aber: das Breiten-/Tiefenverhältnis, mithin der Querschnitt eines Flusses und damit die natürliche Strömungsgeschwindigkeit dürfen nicht signifikant geändert werden.

Wird die Flusstiefe vergrößert, muss der Strom in gleichem Maße verbreitert werden. An der Unterelbe, wie auch an Weser und Ems, hat man einen gegenteiligen Weg beschritten, mit Einengung und Vertiefung der Flussläufe. Die Folgerungen sind bekannt.“ EHA

Ihre Meinung zum Leserbrief per E-Mail an: <link>redaktion@thb.info

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